Weiß meine Oma was Abseits bedeutet? Wohl kaum.
Kennt meine Oma die Regeln für die Vergabe eines Elfmeters?
Ich bezweifle es.
Weiß sie, dass eine Mannschaft nur dreimal wechseln darf?
Auch das bezweifle ich. Kurz gesagt: viel Hintergrundwissen hat sie nicht. Aber
sie weiß: zum Gewinnen muss man Tore schießen und zwar mehr, als das
gegnerische Team.
Meine Oma ist mittlerweile Mitte 70 und hat bis vor kurzem
nicht ein einziges Mal ein Stadion betreten um ein Fußballspiel zu sehen. Wenn
sie zuhause ist, dann schaut sie mal eine Übertragung vom BVB, aber welche
Spieler spielen und ob es um ein Weiterkommen in einem Wettbewerb geht ist ihr
völlig egal. Wenn Dortmund gewinnt, dann freut sie sich, weil sie weiß, dass
ich mich freue. Wenn es zu Vorfällen wie beim DFB Pokalspiel gegen Union Berlin
kommt, dann fragt sie ganz besorgt ob mir während meiner Schicht was passiert
sei. Sie verfolgt mittlerweile die Geschehnisse um Dortmund, weil es mein
Herzensverein ist.
Viele sahen das erste Heimspiel im Tempel, weil sie als
kleines Kind von ihrem Papa oder Opa mitgenommen wurden. Ich sah mein erstes
Spiel zusammen mit meiner Mutter vor knapp 4 Jahren. Höchste Zeit mal meine Oma
mitzunehmen. Kurz vor Weihnachten war es soweit: am 13. Spieltag der laufenden
Saison war Borussia Mönchengladbach bei uns zu Gast und ich arbeitete
ausnahmsweise mal nicht, denn es war völlig klar, dass ich meine Oma zu ihrem
ersten Heimspiel begleite. Kurz nach Öffnung der Tore gingen wir bereits rein,
damit ich ihr in Ruhe meinen Arbeitsplatz zeigen konnte und um zu unseren
Plätzen zu gelangen, denn wir mussten eine Menge Treppen steigen. Sie war sehr
beeindruckt von der Größe des Stadions, denn „im Fernsehen sieht das ja viel
kleiner aus“. Von unseren Plätzen hatten wir eine sehr gute Sicht auf alles was
im Stadion passierte, und fasziniert löcherte mich meine Oma mit Fragen. „Von
wo kommen jetzt die Spieler? Warum tragen die dahinten andere Farben und nicht
schwarzgelb (=Gästefans)? Wieso stehen die hier alle? Was machen die Spieler da
eigentlich auf dem Platz?“ Während des Spiels war sie dann hin und weg und
wusste gar nicht wo sie zuerst hinschauen sollte: auf das Spielfeld oder auf
die Süd. Wie ein kleines Kind saß sie neben mir und freute sich sehr an diesem
Tag hier zu sein. Nach dem Spiel verriet sie mir dann ihren Lieblingsmoment:
als die Spieler zum Aufwärmen auf den Platz kamen, die Musik abgespielt wurde
und fast alle Zuschauer im Stadion ihre Schals geschwenkt haben. „Das war so
emotional, da sind mir fast die Tränen gekommen.“
Jetzt das Wochenende war sie dann wieder hier im Ruhrpott um
mich zu besuchen. Da die erste Mannschaft auswärts in München spielte, nahm ich
sie kurzerhand mit zu den Amateuren, mal schauen wie ihr das so gefallen würde.
Bereits aus der Stadionführung einen Abend zuvor wusste meine Oma mittlerweile,
dass die Rote Erde das ehemalige Stadion der Profis ist und ganz kurz gesehen
hatte sie es auch schon einmal aus dem Biergarten. Aber jetzt an einem
Heimspieltag der Amateure war es doch nochmal eine andere Atmosphäre: auch wenn
keine BVB Ultras dort waren, so wurde es doch laut im Stadion durch die
anwesenden Gästefans (RW Essen war zu Gast). Ein eher schlechtes Spiel bekam
meine Oma zu sehen, doch ihr gefiel die familiäre Stimmung bei den Amateuren.
Zusammen saß sie mit meinen Freunden und mir dort und verfolgte das Geschehen, als
ob sie schon seit Jahren regelmäßig kommen würde. Sie war happy und ich war es
auch.
Das ist vielleicht das Schönste mit am Fußball. Einem
geliebten Menschen mitzunehmen in eine Welt, die er bis dahin nicht kannte und
zu erleben, wie faszinierend alles für ihn ist. Für mich ist es immer noch eine
Besonderheit ins Stadion zu gehen, doch zu sehen wie sich jemand neu in den
Verein und den Fußball verliebt, das ist vermutlich noch viel schöner.
- Lin.
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