Montag, 10. April 2017

Eine Biene auf vier Beinen

Weiß meine Oma was Abseits bedeutet? Wohl kaum.
Kennt meine Oma die Regeln für die Vergabe eines Elfmeters? Ich bezweifle es.
Weiß sie, dass eine Mannschaft nur dreimal wechseln darf? Auch das bezweifle ich. Kurz gesagt: viel Hintergrundwissen hat sie nicht. Aber sie weiß: zum Gewinnen muss man Tore schießen und zwar mehr, als das gegnerische Team.

Meine Oma ist mittlerweile Mitte 70 und hat bis vor kurzem nicht ein einziges Mal ein Stadion betreten um ein Fußballspiel zu sehen. Wenn sie zuhause ist, dann schaut sie mal eine Übertragung vom BVB, aber welche Spieler spielen und ob es um ein Weiterkommen in einem Wettbewerb geht ist ihr völlig egal. Wenn Dortmund gewinnt, dann freut sie sich, weil sie weiß, dass ich mich freue. Wenn es zu Vorfällen wie beim DFB Pokalspiel gegen Union Berlin kommt, dann fragt sie ganz besorgt ob mir während meiner Schicht was passiert sei. Sie verfolgt mittlerweile die Geschehnisse um Dortmund, weil es mein Herzensverein ist.

Viele sahen das erste Heimspiel im Tempel, weil sie als kleines Kind von ihrem Papa oder Opa mitgenommen wurden. Ich sah mein erstes Spiel zusammen mit meiner Mutter vor knapp 4 Jahren. Höchste Zeit mal meine Oma mitzunehmen. Kurz vor Weihnachten war es soweit: am 13. Spieltag der laufenden Saison war Borussia Mönchengladbach bei uns zu Gast und ich arbeitete ausnahmsweise mal nicht, denn es war völlig klar, dass ich meine Oma zu ihrem ersten Heimspiel begleite. Kurz nach Öffnung der Tore gingen wir bereits rein, damit ich ihr in Ruhe meinen Arbeitsplatz zeigen konnte und um zu unseren Plätzen zu gelangen, denn wir mussten eine Menge Treppen steigen. Sie war sehr beeindruckt von der Größe des Stadions, denn „im Fernsehen sieht das ja viel kleiner aus“. Von unseren Plätzen hatten wir eine sehr gute Sicht auf alles was im Stadion passierte, und fasziniert löcherte mich meine Oma mit Fragen. „Von wo kommen jetzt die Spieler? Warum tragen die dahinten andere Farben und nicht schwarzgelb (=Gästefans)? Wieso stehen die hier alle? Was machen die Spieler da eigentlich auf dem Platz?“ Während des Spiels war sie dann hin und weg und wusste gar nicht wo sie zuerst hinschauen sollte: auf das Spielfeld oder auf die Süd. Wie ein kleines Kind saß sie neben mir und freute sich sehr an diesem Tag hier zu sein. Nach dem Spiel verriet sie mir dann ihren Lieblingsmoment: als die Spieler zum Aufwärmen auf den Platz kamen, die Musik abgespielt wurde und fast alle Zuschauer im Stadion ihre Schals geschwenkt haben. „Das war so emotional, da sind mir fast die Tränen gekommen.“



Jetzt das Wochenende war sie dann wieder hier im Ruhrpott um mich zu besuchen. Da die erste Mannschaft auswärts in München spielte, nahm ich sie kurzerhand mit zu den Amateuren, mal schauen wie ihr das so gefallen würde. Bereits aus der Stadionführung einen Abend zuvor wusste meine Oma mittlerweile, dass die Rote Erde das ehemalige Stadion der Profis ist und ganz kurz gesehen hatte sie es auch schon einmal aus dem Biergarten. Aber jetzt an einem Heimspieltag der Amateure war es doch nochmal eine andere Atmosphäre: auch wenn keine BVB Ultras dort waren, so wurde es doch laut im Stadion durch die anwesenden Gästefans (RW Essen war zu Gast). Ein eher schlechtes Spiel bekam meine Oma zu sehen, doch ihr gefiel die familiäre Stimmung bei den Amateuren. Zusammen saß sie mit meinen Freunden und mir dort und verfolgte das Geschehen, als ob sie schon seit Jahren regelmäßig kommen würde. Sie war happy und ich war es auch.




Das ist vielleicht das Schönste mit am Fußball. Einem geliebten Menschen mitzunehmen in eine Welt, die er bis dahin nicht kannte und zu erleben, wie faszinierend alles für ihn ist. Für mich ist es immer noch eine Besonderheit ins Stadion zu gehen, doch zu sehen wie sich jemand neu in den Verein und den Fußball verliebt, das ist vermutlich noch viel schöner. 

- Lin.

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